Samstag, 4. April 2009

Oh mein Gott, sie kommen! Sie sind durchgebrochen!

Seit 15.45 ist die Front eröffnet. Riesige Landungsbusse branden unentwegt gegen die Gestade der Plaza de la Merced. Unmengen uniformierter Ausländer entströmen dem Inneren, bis an die Zähne bewaffnet mit Spiegelreflexrepetierkameras, Stahlmützen mit lustigen Aufschriften und der Geheimwaffe der feindlichen Macht: unbeschränkte Zählungsfähigkeit. Kein Spanier, keine Malagueno kann sich ihnen noch in den Weg stellen, sie sind unbemerkt zu weit ins Landesinnere vorgedrungen. Der Frontverlauf ist nicht eindeutig festzustellen, die Verteidigung liegt in Trümmern, weite Teile der Stadt sind aufgegeben. Hie und da halten sich studentisch-einheimische Partisanennester, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch diese von der schieren zahlenmäßigen Überlegenheit der Angreifer überrannt werden. Aus den östlichen Vororten Malagas wird noch vereinzeilt Gewehrfeuer gemeldet, doch es ist weiterhin unklar, ob es sich um Verteidigunsfeuer oder Selbstmordsalven handelt, letzter Fluchtweg vor der Vereinnahmung durch die alliierte-touristische Armee.

Berichte, dass die Semana Santa dieses Jahr in italienisch und englischer Übersetzung mit deutschen Untertiteln abgehalten werden soll verbreiten sich im Stadtinneren. Man sieht ältere Einwohner nur mit Handwagen ausgerüstet ihre Habe in Sicherheit bringen. Zum Glück sind die Ausfallstraßen noch frei, der Angriff konzentriert sich lediglich auf die touristisch interessanten Gebiete, die schon im Vorfeld durch Kommandoeinheiten mittels "Man spricht deutsch"-Schildern heimlich gekennzeichnet wurden.

Auf der der Plaza de la Merced gegenüberliegenden Seite ist Kindergeschrei zu hören. Ein ältliches Angreiferpaar hat die Assault-Nikon in Anschlag gebracht und droht, das Kind ohne Entrichtung eines Entgelts zu fotografieren. Die Mutter wirft sich in den Belichtungsweg und bleibt reglos liegen. Ungerührt ziehen die Angreifer weiter, lachend über das Unheil, das sie verursacht haben. Auch erreichen mich erste Berichte über Vergewaltigungen. Erstes Opfer dieser Übergriffe ist die spanische Sprache, die mit Ausdrücken wie "donde hasta birra chica saludos" bis an die Grenze des Ertragbaren geschunden wird. Doch sie schreit nicht, sie wehrt sich nicht, nur ein leises Wimmern, ein fast unhörbar geäußerter Wunsch nach Erlösung ist zu vernehmen, und das auch nur, wenn man ganz genau hinhört.

Das Ende der Beschaulichkeit ist gekommen. Die Touristen sind da. Ab jetzt läuft wohl alles ein wenig anders. Malaga wurde zur Offenen Stadt erklärt.

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