Mittwoch, 25. März 2009

Ziel der Weg das ist!

Alte Jedi-Weisheit.

Ich bin nun also unterwegs. Allein in Frankreich.

Hinter Beaune bin ich runter von der Autobahn. Das spart Geld und eröffnet ganz neue Aussichten. Das Land ist eigentlich ganz schön. Und hätte es nicht die ganze Zeit geregnet, hätt' ich auch was davon gehabt. Dennoch sieht's hier sogar mit Regen schöner aus, als Daheim im Sonnenschein.

Die Fahrt bisher war aber dennoch unspektakulär bis langweilig. Die Städte, die Ortschaften sind nett, aber von einer gewissen Verfallenheit. Man mag mutmaßen, dass eine gewisse Prise Bombardierung allenthalben zu städteplanerischer Stringenz verhilft. Mit anderen Worten, wenn wir in Deutschland so Straßen hätten wir hier, würden wir alle SUVs fahren und hätten zur Abwechslung einen guten Grund dafür.

Erster großer Halt war nun Clermont-Ferrand. Hauptsadt der Region Auvergne und auch deren Verwaltungssitz. Als ich das in Wikipedia nachgelesen habe klang das, nun, weniger "groß". Tatsächlich aber ist die Stadt recht imposant. Wunderschöne Wohnsilos erwürgen den malerischen aber voll konsumorientierten Ortskern, dessen Kern hinwiederum von einem wolkenkratzergroßen Standbild von Vercingetorix dominiert wird. Asterix-Leser werden wissen, um wen es sich dabei handelt. Das Standbild ist von ähnlich karger Schlichtheit wie ein arabischer Ölscheichpalast und erinnert die Franzosen daran, dass man Italienern einfach nicht trauen kann. In der Tat scheint es sogar so, als sei die Stadt um das Monument herum gebaut worden, als ewige Mahung erlittenen Unrechts.

Kurzer Exkurs, in welchem ich folgendes anmerken muss: Zücke niemals, ich wiederhole: NIEMALS, in einer fremden Stadt einen Fotoapparat. Weil, als ich dies nämlich tat, um das Standbild des grandiosen averner Feldherrenversagers zu fotografieren, stürzten sofort, und das ist nicht gelogen, aus 3 Ecken des Platzes die Schnorrer auf mich zu, die mich ob meiner Handlungsweise als Touristen und somit als Opfer zum Anschnorren auserwählt hatten. Ein weltgewandtes und fachmännisches "Casse-toi!" verwies sie aber in ihre Schranken. Ich weiß nicht, was genau sie mir an den Backen wünschten, vermute aber, dass es keine Segenswünsche gewesen waren. Ende des Exkurses.

Weiterhin verfügt die Stadt noch über einige nette Gassen, die üblichen Einkaufsgelegenheiten, die weniger konsumkritisch eingestellten Menschen, namentlich Frauen, die Freudentränen in die Augen treiben würden, und eine beachtliche weil sehr schwarze Kathedrale. Auch hier ist Wikipedia bildungsfördernd, da man dort erfährt, dass es die einzige schwarze Kathedrale ihrer Art ist, weil nur sie aus dem sogenannten Teerporphyr gebaut wurde. Oder so ähnlich. Das einzig kathedralenuntypische ist, dass die gewohnten Baugerüste fehlen. Ein weiteres Indiz dafür, dass Frankreich im Krieg nicht bombardiert wurde. Und so sieht der Kasten aus:
Gut. Nachdem ich dies nun alles in chinesischer Reisegruppengeschwindigkeit abgehandelt hatte, galt es nun eine Bleibe für die Nacht zu finden. Ein in einwandfreiem Radebrech geführtes Gespräch mit einem einheimischen Gastwirt, der im Übrigen ebenso hilfsbereit wie auch keiner anderen Sprache als des Franzöischen mächtig war, führte mich in eine Gegend Clermont-Ferrands, die mit "Ghetto" nur unzureichend umschrieben wäre. Es ist so eine typisch südliche gewerbegebietsartige Gegend, in welcher man automatisch die Türverriegelung des Autos zumacht, um nicht an der nächsten Ampel aus selbigen gerissen zu werden und mit Betongewichten an den Füßen im nächsten Gewässer entsorgt zu werden. Nun aber ist hier das Hotel. Es hat genau zwei Sterne, wovon einer gelogen, und der andere geprahlt ist. Das Zimmer ist nur im Rückwärtsgang zu betreten und die Ausstattung scheint aus Restbeständen der Fremdenlegion zu stammen. Doch gibt es Wi-Fi umsonst, das, wie ich hier lernen durfte "le Wi-Fi" heißt und auch "WieFie" ausgerochen wird. Was die Probleme erklärt, die ich hatte, als ich nach "WaiFai" fragte. Und das immerhin ist beachtlich: Hat man doch in den ganzen ach-so-coolen und ach-so-noblen Conferenze-Ressorts (ehemals schlicht Tagungshotel genannt) zwar auch die technische Möglichkeit einen drahtlosen Internetzugang anzubieten, allein es fehlt die Absicht. Weil nur so lässt sich ein Stundenpreis von zwischen 5 und 10 Euro erklären. Somit sind uns die Franzosen an dieser Stelle um Längen voraus, hier ist das nämlich "gratuit", was nicht nur umonst ist, sondern auch nichts kostet.

Das Einchecken gestaltete sich schwierig, aber liebenswert. Nachdem ich die sogenannte "Nordöstliche Eröffnung" gespielt hatte (man spricht mit einem jämmerlichen Französich auf sein Gegenüber ein und beendet den Satz mit "Parlez-vous anglais?" in der Hoffnung, das Gegenüber würde sich auf das eigene Niveau herablassen), hat die Rezeptionistin mit der sogenannten "Mediterranen Rochade" gekontert, die hauptsächlich darin besteht, freundlich zu grinsen und von "Französisch" auf "lokalen Dialekt des Tals in dem sie geboren wurde" umzuschalten. Natürlich versammelten sich in diesem Augenblick auch noch andere Angestellte des Hotels um den Tresen, und alle versuchen sich in Lautstärke und Dialekt zu überbieten bei dem Versuch herauszufinden, was dieser seltsame aber offensichtlich -wenn schon nicht sprachbegabte dafür aber zahlungswillige- Fremde hier und jetzt von einem will. Doch einige Adrenalinschübe und mehrere wiederum radegebrochene aber ernst gemeinte Entschuldigunsversuche und Versicherungen, nie wieder die Sprache des Erzfeindes zu verwenden, später, habe ich mein Zimmer bekommen.

Und nun geh ich in die Bar. "Une pression" trinken. Das ist einheimisch für "Bier". Denn merke, wer sich "une bière" bestellt wirkt ebenso authentisch wie ein Tourist, der sich in Köln "n halwe Hahn" bestellt, und ob der völligen Abwesenheit von Geflügel in seinem Brötchen anschließend ungerechtfertigterweise austickt.

In die Bar hatte ich übrigens schon beim Einchecken einen Blick geworfen. Was soll man sagen? Es scheint ein weiteres Rätsel zwischen den Kulturen zu sein, warum man südlich von Deutschland grelles, ins Königsblaue spielendes, Neonlicht als adäquate Beleuchtung ansieht. Die Bar verströmt den Charme einer stalinistischen Verhörzelle. Und genau so gerne möchte man sich darin aufhalten. Doch es gibt keine Wahl. Draußen vor'm Hotel tobt der Klassen-, Rassen- und Häuserkampf und in der Bar herrscht ein -wohl zerbrechlicher, aber immerhin- Burgfrieden, der die Einnahme der einen oder anderen Pression zur Erlangung der nötigen Bettschwere, um den doch noch recht regen Verkehr direkt vor dem Fenster zu ertragen, ermöglicht.
Und da bin ich jetzt. Bis die Tage!

Gruß
Le Jörch

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