Donnerstag, 26. März 2009

Montpellier. Das Mannheim des Südens.

Where to start, fragt der Engländer.

Nachdem ich also heute Morgen extremst kontinental im Angesicht der höchsten Schrägseilbrücke mein Frühstück eingenommen hatte, zog es mich mit Macht in den Süden. Da die Überfahrt über die höchste Schrägseilbrücke massiv Kohle gezogen hätte, entschied ich mich aber, den Weg über Land zu nehmen und dabei noch ein wenig Kultur aufzunehmen. Ich habe dabei die schlechte Angewohnheit, dass wenn am Wegesrand ein Schild rumlungert, welches mich in der Absicht, andere am Wegesrand liegende Gewerbetreibende mit Frischkunden zu versorgen, zu folgen auffordert, tat ich auch diesesmal genau jenes. Es hieß, wenn Du hier links abbiegst, kommst Du zu Orten, die die Templer gegründet haben. Templer, man erinnert sich, gehören zu jener Brut, die zunächst Jerusalem vor den Muselmanen rettete, sich dann aber homophil gab und somit die Wut des amtierenden Papstes zuzog. Auf jeden Fall hatten und haben die Buben einen Ruf, der Aufmerksamkeit erfordert. So bog ich also ab und folgte dem Schild.

Was soll ich sagen? Einige verpasste Abzweigungen später fand ich mich in einem Tal wieder, das an vorfrühlingshafter Schönheit und Abgeschiedenheit nur schwer zu übertreffen sein wird. Ich habe mich so dermaßen verfranst, dass ich schon dachte, der nächste Passant, den ich nach dem Wege anhauen würde, würde mir auf Sächsisch antworten. Ich fuhr also auf einer Straße mit der Bezeichnung D777 entlang. Wobei "D" für "Departementale" steht und auf Französisch "Feldweg" bedeutet. "777" gibt die erste urkundliche Erwähnung an. Die Straße war also sehr alt und somit auch sehr schmal. Porsche Cayennes waren zu Zeiten der Völkerwanderung eben noch nicht da und hätten auf den damals vorhandenen Wegen eh keine Chance gehabt.

Doch wie so oft liegt die Schönheit im Auge des zufällig zum betrachten Angehaltenen und es war viel Schönes zu sehen.
Leider habe ich den Namen des Ortes vergessen, aber die Art, wie er sich von jeglichem Tourismus unbeleckt an den Basalt des Berges schmiegte, fand meine uneingeschränkte Zustimmung.

Alles war schön, doch leider hatte ich mittlerweile nicht den Hauch einer Ahnung, wo ich mich befand. Klar, ich hätte jemanden nach dem Weg fragen können. Aber zum einen schämte ich mich, mitten im Nichts nach dem Weg nach Montpellier zu fragen, zum anderen hatte ich die nicht unbegründete Befürchtung, dass man mich a) sofort als Deutschen erkennen würde und dann b) sofort beginnen würde, mich mit altem Obst zu bewerfen oder, was sogar wahrscheinlicher ist wenn man die Menge an WK I + WK II Denkmalen betrachtet, die Befragten die Gute Flinte aus dem Schrank geholt, und mich damit unter Feuer genommen hätten. Doch auch hier zeigt sich, dass Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit ist, und stetes "einfach drauflosfahren" führte mich mit tödlicher Präzision zum Ausgangspunkt meiner fast ungeplanten Exkursion zurück. Diesem Zufall - oder auch: dieser meiner persönlichen Dummheit - verdanken wir dann diese Aufnahmen der größten Schrägseilbrücke der Welt, diesmal aus etwas größerer Nähe.
Wie die etwas belichteteren meiner Leser wohl merken, versuche ich dem Faktum, dass ich dumm im Kreis gefahren bin, etwas Positives abzugewinnen. Aber ich erachte mich dennoch als durchschaut und fahre somit weiter. Metaphorisch als auch tatsächlich.

Süden also. Im Süden blühen die Mandelbäume und sonstiges Zeug, während an dem Ort der letzten Aufnahmen noch eisige 8 Grad herrschten. Ich stürzte mich also auf die - nun wieder kostenlose - Autobahn nach Montpellier.

Nun, ich fuhr durch die restlichen aber weiten Öden der Midi Pyreneen, da kam ein Tunnel und nach dem Tunnel war Frühling. Kein Witz: Eben noch blattlose aber alte Eichen und Garrigue, und auf einmal Zypressen, Olivenbäume und blühend Zeug, soweit das alte Auge reichte. In Montpellier hab ich mir ein wiederrum sehr zweifelhaftes, aber über Wi-Fi verfügendes Hotel geschossen. Behaglich an einer der meist befahrenen Autobahnen Südfrankreichs gelegen bot es alles, was des Reisend Herz begehrt. Ein Bett, ein Waschbecken mit malerisch drappiertem Haar und eine Toilette. Ich gehe jetzt nicht weiter in die Details.

Nach einer sehr kurzen Dusche (ich sag nur: Haare) begab ich mich dann also nach Montpellier - Centre Historique.

Um eins Vorweg zu nehmen: Montpellier ist, verkehrstechnisch betrachtet, der Super-Gau. Meines Erachtens nach gibt es nur eine logische Erklärung für Montpelliers Verkehrsführung. Und zwar muss im frühen 19. Jahrhundert ein cleverer Geschäftsmann dem Magistrat der Stadt folgenden rockefeller'esquen Vorschlag gemacht haben: "Jungs, ich schenke euch, auf meine Kappe, die gesamte Infrastruktur eurer Siedlung. Mit allen Straßen, Plätzen und sonstigem Gedöns, was ihr so braucht, um bei den Spaniern, den Italienern, den Deutschen und den Parisern Eindruck zu schinden. Ihr müsst mir nix bezahlen. Nur müsst ihr mir dann später, zu den von mir noch zu bestimmenden Konditionen, Ampeln abkaufen!" - "Deal!" sagte der montpellegrinische Magistrat. Und das haben wir jetzt davon. Man kann in Montpellier keine 5 Meter fahren, ohne an einer Ampel mal mindesten 10 Minuten dumm rumzustehen. Die Ampeldichte ist legendär und ihre Schaltintervalle entziehen sich dem gemeinen Verstand und können höchstens von Grenznukularphysikern verstanden werden. Die Schaltung scheint nämlich auf mehreren Ebenen volatil zu sein. Zum einen scheint die Tageszeit ein bestimmender Faktor zu sein, zum anderen scheint das Objekt, das den Weg quert, Einfluss auf Schaltdauer und Frequenz zu haben. So ist es also möglich, dass eine Ampel nicht rot wird, wenn an einem Donnerstag von rechts ein Bus kommt, sie aber dennoch grün bleibt, wenn an einem Dienstag von links das Dritte Panzerbattallion der Fremdenlegion quert. Kurz und gut: Autofahren in dieser Stadt ist ein wenig wie Krieg. Nur leider einer ohne konventionelle Waffen.

Ich bin aber dennoch recht stolz darauf, dass ich mich, die Unversehrtheit meines Autos aufs südländischste verachtend, durch dieses infrastrukturelle Ragnarök manövriert habe. Und, ja, auch die Masse an mir nicht verständlichen Beleidigungen, die ich mir einfuhr, werte ich als quasi Pour-Le-Merite für überragenden Mut im Angesicht des Feindes.

Dessenungeachtet ist Montpellier als Stadt schon sehr schön. Groß, ja, aber auch alt. Verwinkelt. Widersprüchlich. Modern und historisch. Versnobt, gediegen, idyllisch und mondän. Ich kann jedem nur empfehlen, hier mal entweder einen Zwischenstop einzulegen, oder aber auch die Stadt für eine Woche zum Ferienziel auszuwählen. Die nicht ganz 4 Stunden, die ich hier verbracht habe, waren bei weitem nicht aussreichend, um auch nur an der Oberfläche zu kratzen. Hierfür einige Bildbeweise:
Bilder werden der Pracht der Stadt aber nicht gerecht!

Ja, und auch "L'Invader" hat sich verewigt. Jener ist ein französicher (Aktions-)Künstler, der es sich wohl zur Lebensaufgabe gemacht hat, in jeder Stadt ein Mosaik eines oder mehrer Space-Invader zu applizieren. Sandra und ich hinwiederum sind ihm auf den Fersen. Is auch'n Job.

So sieht das dann aus:
Und:
Und zum Abschluss des Tages gabs dann noch ein wenig Labsal für die gepeinigte Seele. So sagte doch meine Bedienung zu mir (nachdem sie mir irgendwas vorgesetzt hatte, das ich nur als schlecht-mikrowellen-erhitztes Labskaus dechiffrieren konnte), dass mein Französisch "für einen Deutschen" gar nicht so schlecht sei. Sie hat natürlich gelogen. Aber das sehr charmant. Achja, und als Digestif gab es "Get 27", das ist ein lokal präferierter Minzlikör, der nach in Odol gelöster Zahnpasta schmeckt und dringend nach einem weiteren Bier verlangt.

Und jetzt macht Le Jörch "le bubu"!

Bonne Nuit!

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